Über „Synchron“ von Tuning People & hetpaleis

Wann: 18.11. – 21.11.
Wo: tanzhaus nrw / Im Rahmen der Reihe Melancholie & Muskeln

Tanz-Training für’s Bewusstsein von Simona Kirilova

Heutzutage ins Fitnesstudio zu gehen, ist nichts Besonderes. Aber die Tanzbühne in ein Fitnessstudio umzuwandeln schon. Im Tanzhaus NRW stehen drei Tänzer*innen, die schicke Anzüge anhaben, auf drei Laufbändern. Die Choreografin Karolien Verlinden transformiert in „Synchron“ auf kreative und humorvolle Weise die alltägliche Aktion in etwas Inspirierendes und etwas zum Nachdenken um. Mit Hilfe einer Geräusch-Palette des „Foley Artists“ Fred Heuvinck baut sie einen Raum zwischen Abstraktion und Realität auf, in dem die Zuschauer*innen das Gesehene frei interpretieren können.

Zu Beginn laufen die Tänzer*innen auf den Laufbändern im normalen Tempo ohne einander anzuschauen. Wie synchron sie in ihren blauen, gleichen Anzügen laufen und sich bewegen, macht Eindruck. Und doch erinnert das zugleich an eine Alltagssituation, an das Fitnessstudio, wo fast alle gleich aussehen: Hier trägt man Sportkleidung, nutzt dieselben Geräte, kontrolliert die Geschwindigkeit und macht dieselben Übungen. Während des Laufens gucken wir uns im Spiegel an, ob wir besser, schlanker und muskulöser aussehen und ob die anderen das vielleicht bemerken.

„Euh … ik denk dat ik mezelf goed kan aanpassen … mmh denk ik … Dat wil ik wel … dat ze mij sympathiek vinden … alles ja … toch?“

Aber auch wir schauen uns die anderen an und vergleichen uns mit ihnen. Wir stellen uns Fragen, wie sie auch im Stück gestellt werden: Wer ist am reichsten? Wer ist Vegetarier*in? Wer hat die Zähne nicht geputzt?
Nach ein paar Blicken sehen wir ein, dass wir unsere Körper zur Schau stellen. Um ein Teil einer Gruppe zu sein, möchten wir bei den anderen Menschen nicht unangenehm auffallen. Wir trauen uns nicht zu, selbst Antwort auf unsere Fragen zu finden. Deshalb bleiben wir „synchron“. Eine eingeblendete Stimme fragt in der Performance: Wer ist bescheiden? Wer steht auf Männer? Wer spricht schlechtes Niederländisch?
Und man selbst gerät ins Grübeln: Was machen wir, damit man uns sympathisch findet? Wie sehr sollen wir uns den entsprechenden Personen anpassen, um uns gut genug finden zu können? Und was, wenn wir das Risiko eingehen und unser Inneres vorstellen? Leiden wir nicht alle unter der gleichen Angst: vor Ablehnung? Um die Fragen beantworten zu können, müssen wir mit den anderen in Kontakt zu treten. Die Komplexität des Stücks baut sich mit der Interaktion der Tänzer*innen auf; sie schauen sich an, berühren, küssen oder umarmen sich. In diesem offenen und experimentellen Raum werden Ängste überwunden und die Oberfläche bzw. die blauen Anzüge abgelegt. Durch eine lebendige Collage aus Tönen, Humor und blauen Anzügen erfahren wir sowohl etwas über die anderen als auch gleichzeitig über uns selbst: Während des Laufens finden wir heraus wer wir sind, wo sich unsere Grenze befindet und wo wir hingehen wollen. Somit ist unser produktives Training für heute Abend im Tanzhaus NRW beendet.

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