
Illustration: Wienke Treblin
Wann: 03.03. – 04.03.
Wo: tanzhaus nrw
Im Rahmen von You’re a cyborg but that’s ok #2
„Dancing drones“ Eine Reportage von Wienke Treblin
Drohnen drohen. Dies ist meine erste Assoziation. Ich denke an unbemannte Luftfahrzeuge, die Bomben werfen oder Menschen ausspionieren. Auf der Bühne – ich sitze in der ersten Reihe ganz nah am Geschehen – befinden sich Drohnen, die sich nacheinander in die Luft erheben. Eine Drohne, die fliegt, erzeugt ein Geräusch. Und eine Luftbewegung. Hier fliegt, nein steht ein Schwarm dieser künstlichen Insekten in der Luft. Und die Geräuschkulisse, die durch diesen Schwarm erzeugt wird, ist unglaublich – ich schließe kurz die Augen und sehe mehrere Bienenschwärme vor mir, die immer wieder auf mich zu, von mir weg und um mich herum schwirren. Meine Haare werden förmlich durch den Fahrtwind bewegt. Ich habe ein bisschen Angst!
Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich, dass die Drohnen sich beginnen in der Luft zu formieren. Das ursprünglich monoton brummende Schwarmgeräusch hat sich unbemerkt in einen Soundteppich verwandelt. Die ferngelenkten Flugkörper erzeugen diesen Klangteppich: the soundtrack of the dancing drones.
Das Drohnen-Ballett wird nicht nur seitens des Publikums beäugt. Die finnische Tänzerin Jenna Jalonen befindet sich von Anfang an in unmittelbarer Nähe zu diesen kleinen Maschinen. Sie hält Kontakt mit ihrem Blick, der durchdringend wirkt und zugleich eine unsichtbare Verbindung zwischen Frau und Flugobjekten herstellt. Als sie sich zu der schwebenden Truppe gesellt und ihren eigenen Tanz beginnt, scheint es, als würden Tänzerin und Roboter in einer besonderen Bewegungssprache miteinander kommunizieren. Es entsteht eine ganz eigene Form der Ästhetik, etwas Fremdartiges, verbunden mit Anmut und Weichheit. Sie dirigiert die Drohnen förmlich. Ein intensives Pas de deux mit einer Drohne – vielleicht die Königin des Schwarms? – beginnt. Nicht von dieser Welt, fesselnd und viele Fragen entstehen für uns Zuschauende: Wer dominiert hier wen? Reagiert die Tänzerin auf die Maschine oder umgekehrt? Gibt es etwa einen geheimen Plan?
Der Zweitanz endet. Jenna Jalonen verschwindet unter einer Bank und mit ihr die Drohnen – der Spuk ist vorbei, und nach und nach kriechen und klettern sieben jugendliche Tänzer, fünf Mädchen und zwei Jungs aus ihren Höhlen an die Oberfläche. Sofort befinden wir Zuschauer uns mit diesen jungen Menschen auf der Straße, vielleicht in der Vorstadt, Straßentänzer, die zeigen, was sie drauf haben. Und da geht einiges! Scheinbar mühelos und vollkommen lässig wird hier in immer wieder wechselnden Konstellationen gezeigt, was Urban Dance sein kann, Breakdance, HipHop, Ragga – die Styles und Moves vermischen sich. Und ich bin nicht die einzige im Publikum, deren Füße fast automatisch mitgrooven. Die Begeisterung der Tänzer überträgt sich unmittelbar auf das Publikum: Hier tanzt das Leben! Die jugendlichen Tänzer kopieren sich gegenseitig, ermutigen sich, necken sich, messen sich miteinander und das passiert als Solo, manchmal als Duett selten alle sieben zusammen. Gekonnt und offensichtlich mit viel Spaß zeigen sie sich gegenseitig ihre individuellen Tanz-Techniken und greifen immer wieder Elemente der anderen auf, variieren sie, machen sie sich zu eigen. Sie gehen Verbindungen miteinander ein und lösen sich wieder voneinander.
Jenna Jalonen erscheint und der Beat der Musik verändert sich. Die zeitgenössische Tänzerin erscheint und der Beat verändert sich. Sie wirft sich zwischen die Urban Dancer und es scheint so, als wolle sie, ähnlich wie bei den Drohnen, die Herrschaft übernehmen. Sie steigt mit ein in die Bewegungen der Jugendlichen, aber obwohl sie scheinbar sehr ähnliche Gesten und Schritte macht, wirkt die Choreografie bei ihr gänzlich anders. Sie transformiert Breakdance- und HipHop-Moves in etwas Neues. Die Straßentänzer reagieren– ordnen sich ihr unter und dann wieder nicht. Eine Battle ist das nicht, eher ein Versuch, eine neue Tanzsymbiose zu beginnen, eine neue Art der Verbindung. Am Ende bin ich begeistert von der tänzerischen Leistung aller Beteiligten und der Anblick der Drohnen, ihre Nähe beschäftigt mich nachhaltig. Aber ein wenig ratlos fühle ich mich auch, weil ich Zusammenhänge suche, Antworten auf verschiedenste Fragen finden möchte wie: Stellt Jenna Jalonen die Verbindung vom Digitalen zum Analogen dar? Vom Künstlichen und Menschlichen? Ist das Ganze ein Hinweis auf Alltagsautomatismen? Aber diese Fragen sind nicht quälend und vielleicht auch genau beabsichtigt, denn so gibt es als Nachtisch nach dem ästhetischen Genuss auch noch eine Kleinigkeit zum Grübeln. Und das gefällt mir.