Über „Sweat Baby Sweat“ von Jan Martens

Wann: 27.11.
Wo: tanzhaus nrw / im Rahmen des Factory Finale

„Eine Liebesgeschichte“ von Pia Bendfeld

Zum Abschluss seiner zweijährigen Periode als Factory Artist verabschiedete sich der belgische Choreograf Jan Martens am Sonntag, 28. November, mit seinem emotionalen Erfolgsstück „Sweat Baby Sweat“ vorerst vom Tanzhaus NRW und dem Düsseldorfer Publikum.

Mit seiner unverkennbaren Handschrift als Choreograf erzählt der Belgier Geschichten von Menschen des alltäglichen Lebens und deren inneren Gefühlswelt. An diesem Abend widmet er sich dem wohl beliebtesten Thema überhaupt: der Liebe. Trotz vielfältiger Interpretationsmöglichkeiten dieser Empfindung bezieht sich Jan Martens auf die ursprünglichste Form der Liebe zwischen Mann und Frau. Die Zuschauer verfolgen die Entwicklung einer romantischen Beziehung, welche im Schnelldurchlauf auf der Bühne präsentiert wird. Dabei kommt das Stück mit betont reduzierten Mitteln aus. Die Tänzer Kimmy Ligtvoet und Steven Michel, lediglich in schlichter Unterwäsche gekleidet, stehen auf der großen, leeren Bühne. Requisiten gibt es keine. Der Fokus liegt auf dem Tanz, den kraftvollen Bewegungen und der beeindruckenden Körperspannung, mit der die Darsteller sämtliche Figuren durchdeklinieren, welche teilweise an gymnastisches Training erinnern mögen. Sie tragen und halten einander, umschlingen und drehen sich, balancieren das Gewicht des jeweils anderen, liegen und schlagen Purzelbäume auf dem Boden. Ungeachtet dieser schweißtreibenden, in Zeitlupe durchgeführten Turnübungen, besteht ein durchgängig intensiver Augenkontakt zwischen den Partnern, welcher es erlaubt Bewegungsimpulse zu erkennen und auf diese zu reagieren. Zugleich schaffen die tiefen Blicke eine spürbar intime Atmosphäre im Raum. Das Publikum ist Voyeur dieser Leidenschaft und Nähe des jungen Paares und erlebt den Verlauf dieser innigen Beziehung mit. Ein Schriftzug an der Wand unterstreicht die Verbundenheit: „AS LONG AS YOU ARE HERE I AM TOO“. Der emotionale Höhepunkt findet sich in einem ausgedehnten, sinnlichen Kuss, dessen Überschwang und Hingabe in einem erheblichen Kontrast zu der körperlichen Anstrengung der Bewegungen steht. Scheinbar mühelos lässt sich die zärtliche Geste mit der erheblichen Anspannung und Belastung sämtlicher Muskeln vereinen.

Doch Jan Martens präsentiert seinen Zuschauern selten ein stereotypisches Ideal auf der Bühne. So folgt auch „Sweat Baby Sweat“ nicht dem Anspruch eine perfektionierte und mustergültige Beziehung zu porträtieren, sondern schafft ein Stück, dessen Wirkung durch authentische Empfindungen zwischen zwei Menschen geprägt wird. Das berauschende Glücksgefühl des Verliebtseins ist nicht von ewiger Dauer und das Paar entfernt sich mit der Zeit voneinander. Er weist sie mit zunehmender Bestimmtheit zurück, schiebt sie von sich, während ihre Bemühungen immer verzweifelter und flehender werden, sie sich an ihm festzuklammern versucht, aber im Sprung an ihm abprallt. Zum ersten Mal stehen beide mit Abstand voneinander getrennt, um schließlich wieder zueinander zu finden. In zuckenden Bewegungen nähern und umarmen sie sich, bis sie letztlich zusammen zu Boden sinken. Diesmal löst sie sich, krabbelt fort und lässt ihn zurück. Ziellos scheinen beide durch das Dunkel zu streifen, bis sie schließlich zum Schluss einsam und getrennt voneinander liegen bleiben, während Cat Powers Lied über „Willie Deadwilder“ ertönt, dessen Geschichte an die Wand projiziert wird. Wer aufmerksam zuhört und mitliest, erkennt, dass der Text bald nicht mehr dem des gesungenen Liedes, sondern Zeilen bekannter Lovesongs aus der Popmusik entspricht.

Obwohl die Liebe generell schon so vielfach thematisiert wurde, scheinen Künstler dennoch stets den Drang zu verspüren sich mit dem Thema zu beschäftigen und ihre innersten Empfindungen zu formulieren. Die Liebe ist omnipräsent und immerwährender Stoff der Kunst, was Jan Martens vermutlich zum Anlass nahm, dieses überaus intensive, berührende und feinfühlige Tanzstück, welches zu keiner Zeit dem Kitsch verfällt, zu kreieren. Es ist das glaubwürdige Porträt zweier Liebenden, welche im Zuge ihres schwankenden Gefühlszustands Momente des Glücks, Lust, Schmerz, Hoffnung und Trauer durchleben. Eine ehrliche Darstellung von junger Liebe.

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