Über Now & Next

Wann: 26. + 27.02. jeweils 20:00
Wo: tanzhaus nrw

Valérie Kommer und Karoline Strys in „A Solo for two“ im Rahmen des Nachwuchsformats von von Now & Next Foto: Meyer Originals

Valérie Kommer und Karoline Strys in „A Solo for two“ im Rahmen des Nachwuchsformats von von Now & Next Foto: Meyer Originals

Proteinpulver, Fieberträume und blumige Gedichte von Bastian Schramm

Das Format Now & Next bietet eine Plattform für das, was man als „Zeitgenössischsten Tanz“ bezeichnen kann. Es werden aktuelle Aufführungen, Projekte und Arbeiten die sich noch in der Arbeitsphase befinden, gezeigt. Das Format lebt besonders von seiner Offenheit für neue Strömungen und der Tatsache, dass durch die Kombination von mehreren Arbeiten an einem Abend eine Art Diskursfeld eröffnet wird, was es ermöglicht, die Arbeiten in einem größeren Kontext zu betrachten und sich einen Überblick zu verschaffen.

Die Abende vom 26. und 27. Februar eröffnete eine Arbeit von Montserrat Gardó Castillo und Petr Hastik, die beide Absolventen der Folkwang Universität und Ensemblemitglieder beim Kollektiv NEUER TANZ sind. Als Zuschauer fühlt man sich zunächst am falschen Ort, wenn man sich vorbei an Montserrat über die Bühne möglichst schnell auf die Zuschauertribüne schmuggeln will. Als Willkommenspräsent werden einem diverse Proteinpulver angeboten, im Hintergrund läuft ein Fernsehprogramm, das motivierte Heimsportler zu Spitzenleistungen antreiben soll. Als die Scheinwerfer ausgehen, fühlt man sich zumindest wieder ein bisschen angenehmer, die voyeuristische Distanz ist wieder hergestellt. Was zu sehen ist, macht durchaus Spaß. Gezeigt werden in einem ersten Akt zunächst klassische Posen der Körperinszenierung, dazu läuft klassische Musik. Die effektvolle Ausleuchtung der Bühne, die die Körper der beiden Tanzenden als riesenhafte Schatten an der Rückwand der Bühne erscheinen lassen, tun ihr übriges. Weiter geht es mit einer eingespielten Videosequenz, die zum Kern dieser Performance führt. Es sind Videobilder aus einer Gesellschaft des Körperkultes, der Selbstinszenierung, des Abhärtens. „No-Pain-No-Gain“ könnte genauso gut im Mittelpunkt der Performance stehen, ähnliche Worte werden in einer kurzen Sprechsequenz auf das Publikum abgefeuert. Die Lächerlichkeit dieser neuen Werte wird immer offenbarer. Den Mut zur Lächerlichkeit beweisen auch die Tanzenden, wenn mit einer übersexualisierten Version von Alphavilles „Forever Young“ das Stück beschlossen wird.
Dass das Stück sich mit einem Thema beschäftigt, dass man inzwischen schon in vielen Interpretationen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes gesehen hat, tut der Kurzweiligkeit und dem Spaß keinen Abbruch. Vielmehr beweist das Lachen im Publikum, dass es sich hierbei um ein Thema handelt, zu dem sich jeder in einer Beziehung befindet und dass die unterhaltsame Umsetzung dessen funktioniert hat.

Das zweite Stück an diesem Abend setzt sich mit einem ähnlich alltäglichen Thema auseinander. Allerdings wirkt die Umsetzung des Themas „Zahntherapie“ durch Ivan Geddert, Soya Arakawa und Igor Dekhtiarenko eher wie ein expressionistischer Fiebertraum, der durch starke zahnärztliche Betäubungsmittel induziert wurde. Das Bühnenbild ist an sich eigenartig genug, es besteht aus einigen karg und bedrohlich wirkenden Holzkonstruktionen. Dazu kommen die unvermittelten Einsätze des nichts weiter als „ALARM!“ singenden Bassbariton Thomas Huy. Bei ohrenbetäubendem Schlagzeuglärm wird mit eigenartigen, langen Instrumenten herumgestochert, es wird geschrien und zusammenhanglos gemurmelt. Die Performance ist dabei so eindrücklich, dass der am Anfang gezeigte Satz „Beruhige dich“, genau ins Gegenteil verkehrt wird und das Publikum sich erst aus seinen Schreckensverkrampfungen löst, wenn sich die drei Performer zum Abschluss verbeugen.

Die letzte Performance des Abends wirkt dagegen zu Anfang wie ein blumiges Gedicht. Valérie Kommer und Karoline Strys tanzen in bestickten Kleidern zu barocker Musik – so weit so langweilig, könnte man denken. Doch irgendetwas stimmt daran nicht. Der Zuschauer wird das Gefühl nicht los, dass irgendwas nicht ganz ernst gemeint sein kann. Und ehe man sich versieht, wird die allzu süßliche Welt durch einen Wechsel in der Musik gestört, die tänzerischen Bewegungen werden heftiger, die Gesten eindeutiger. Hier geht es plötzlich auch um Aggressionen, Kampf, Selbstmord. Der Tanz ist ästhetisch absolut unterhaltsam und erinnert an klassisches Tanztheater. Damit ist das Stück das „tänzerischste“ des Abends und schafft damit eine schöne Klammer. Und die Tänzerinnen verlieren dabei nie das, was auch alle anderen Performances dieses Abends begleitet hat: Eine gute Portion Humor.

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