Wann: 29.08. 17:00 + 30.08. 17:00
Wo: tanzhaus nrw
Minimaldance von Bastian
Blickt man auf die Projekte zurück, die Jan Martens bisher als Factory Artist am tanzhaus NRW verwirklicht hat, dann zieht sich ein Charakteristikum von Anfang bis Ende durch: Er schafft es mit minimalistischen Mitteln starke Gefühle im Publikum zu erzeugen. Er reduziert Tanz auf seine elementarsten Bestandteile: Körperliche Bewegungen und die unterschiedlichen Bezugsebenen die Menschen untereinander, miteinander, in sich und zum Außen haben. Dabei verfällt der Gestus der Stücke jedoch nie ins asketische, denn nicht zuletzt sind sie durchaus sehr humorvoll. Zudem spielt Martens stets mit der Schnittstelle zwischen Akteur und Zuschauer. Der Zuschauer wird sich seiner Präsenz bewusst und dadurch an das Bühnengeschehen angebunden.
All diese Eigenschaften treffen auch auf das zu, was am 29. und 30. August im tanzhaus nrw zu sehen war. Drei Stunden lang kam es immer wieder zu neuen menschlichen Begegnungen auf der Bühne, im Vordergrund stand, ganz in der Tradition des Minimalismus, die menschliche Begegnung an sich. Wie ist es, wenn zwei unbekannte Menschen das erste Mal aufeinander treffen? Durch was etabliert sich Nähe, wie zeigt sie sich? In einer kompromisslosen Laborsituation wurde diesen Fragen auf den Grund gegangen, teilweise unterstützt durch eine Kamera, die die Protagonisten-Paare auf einer Leinwand in Großaufnahme zeigte. Was sich hier vor den Augen des Publikums abspielte, waren echte „blind dates“, inszeniert und geplant von Jan Martens. Er arrangiert die Paare auf der Bühne. Erst nach einem lakonischen „ja!“ aus der Regie öffnen sie die Augen. In ihrem Kopf haben die Laiendarsteller nur ein Skript, das sie eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung bekommen haben, ohne zu wissen, auf wen sie treffen werden, oder was der andere tun wird. Es wird gezittert, geschwitzt, gestreichelt, angefasst und abgefragt. Das Bühnengeschehen wird nicht zuletzt durch Affekte bestimmt, die aus der Situation entstehen. Obwohl es nur vier verschiedene Skripte gibt, ist jede Performance individuell und wird durch die Körperlichkeit und performative Einbindung der Akteure bestimmt. Der Umgang untereinander ist respektvoll; die Situation lebt vor allem von der Gegenwart des Publikums, das weiß, dass es auch selber auf der Bühne stehen könnte. Darüber wird mit reduzierten Mitteln eine Spannung erzeugt, die aus der Beziehung zwischen zuschauender und darstellender Haltung entsteht; denn die Affekte des Publikums werden mit denen der Darsteller vermischt. Dadurch wird die Arbeit so berührend und involvierend.
Das Work-In-Progress ist eingebettet in den Rechercheprozess für Jan Martens‘ nächstes Stück, das im Mai 2016 im tanzhaus NRW auf die Bühne kommen wird. Welches, wenn er es schafft die entstandenen Situationen auch in dem Kontext einer größeren Produktion einzubetten, höchst spannend zu werden verspricht.