Wann: 27.08. 20:00 + 28.08. 20:00
Wo: tanzhaus nrw
„Ein Gala-Abend der etwas anderen Art“ von Laura
„Verehrtes Publikum, bitte begrüßen Sie mit mir die Darsteller des Abends: Menschen, wie Sie und ich, ein buntes Potpourri aus Jung und Alt, aus Groß und Klein, aus Professionellen und Laien. Heißen sie wohlbekannte Gefühle herzlich willkommen und denken Sie nach Herzenslust in Schubladen – ich garantiere Ihnen, Sie werden eines Besseren belehrt werden!“
Hätte es einen Moderator für diesen Gala-Abend der besonderen Art gegeben, so hätte er sicher in diesem Tenor zum Publikum gesprochen. Mit „Gala“ eröffnete Jérôme Bel am Donnerstag die Spielzeit des tanzhaus nrw, die in diesem Spätsommer/Herbst unter dem Motto „ZUSAMMEN“ steht. Er setzte damit gleich zu Beginn einen Akzent in diese Richtung und zeigte an, was unter genanntem Motto zu verstehen sein könnte: Vielfältigkeit, Miteinander, Freude am Zusammensein.
Genau dieses Gefühl vermitteln die Tänzer auf der Bühne, und folgen der neuen tanzhaus-Kampagne mit dem Titel „Das Tier hat heute Ausgang“, bei der Exzess und Körperlichkeit im Mittelpunkt stehen, indem sie Mut zur Hässlichkeit beweisen: Der Verlauf des Stückes besteht darin, dass die Darsteller – mal der Reihe nach, mal alle zusammen – signifikante Elemente verschiedener Tanzarten vorführen, welche dem Publikum auf einer Art selbstgebastelten Flipchart angezeigt werden und als Vorgabe für die Tänzer dienen. Unter dem Stichwort „Ballett“ drehen diese beispielsweise nacheinander – mehr oder weniger – elegante Pirouetten und vollführen – sowohl angedeutete als auch voll ausgestreckte – Spagatsprünge. Sie betreiben dieses Unterfangen mit einer Mischung aus Ernsthaftigkeit und Eigenhumor, wohlwissend, dass nicht alle unter ihnen die Figuren perfekt beherrschen. Doch darum geht es auch gar nicht, sondern darum, zu zeigen, dass ein jeder eine Pirouette drehen kann – selbst jemand, der im Rollstuhl sitzt.
Und so vollzieht sich ein bunter Reigen aus ganz individuell getanzten und interpretierten Bewegungen, unter anderem unter den Stichworten „Walzer“ und „Michael Jackson“, aber auch Angaben wie „Improvisation in Stille, Alle, 3 Minuten“ oder „Kompanie, Kompanie“. Besonders bei diesem letzten Teil der Gala kommt die Quintessenz des Stückes und dessen Botschaft am deutlichsten zum Vorschein: Einer der Darsteller tanzt in seinem Stil eine Bewegungsabfolge vor und alle anderen machen es ihm nach – ohne großen Erfolg, denn keiner vermag es, das vorne stehende Original zu kopieren. Und genau das sind sie: Originale, jeder auf seine ganz eigene Weise. Ob mit Behinderung oder ohne, ob mit grazilem Tänzerkörper oder nicht, jeder bewegt sich in seinem eigenen Rhythmus und jeder kann etwas anderes ganz besonders gut. So wird das Publikum mitgenommen in die Welt eines jeden Darstellers und kann zusammen mit den Nachahmern von der vorführenden Person lernen. Aber auch über sich selbst und seine eigenen Denkmuster wird sich so mancher Zuschauer an diesem Abend bewusst, denn spätestens, als derjenige Tänzer, den man gedanklich in die unterste Schublade gelegt hat, einen vom absoluten Gegenteil überzeugt, ertappt man sich selbst bei seiner doch so eingeschränkten Weltsicht. Jérôme Bel gelingt es, sie auf behutsame, leichte und freudvolle Art und Weise zu öffnen und aufzuzeigen, wie erfrischend und wohltuend eine völlig neue Sichtweise auf die Menschen sein kann.