„The show must go on“ Jérôme Bel/Düsseldorfer Version

Wann: 06.02. 10:00 + 07.02. 18:00
Wo: tanzhaus nrw

„The show must go on“ Düsseldorfer Version von Jérôme Bel (c) Andreas Endermann

„The show must go on“ Düsseldorfer Version von Jérôme Bel (c) Andreas Endermann

#1 Gänsehaut und Partytanz von Annika

Im Rahmen des 8. Take-Off Festivals war eine besondere Düsseldorfer Version des Stückes „The show must go on“ am 07.02.2015 im tanzhaus nrw zu sehen. Für das ungewöhnliche Konzept des Choreografen Jérôme Bel wurden 20 tanzbegeisterte Düsseldorfer gecastet und präsentierten, unter der Leitung von Dina ed Dik, die selber in der Originalfassung mittanzte, als Tanzamateure ein Stück über, mit und für die Musik. Die ausgewählten Songs wurden für das Stück wörtlich genommen und die Texte (teilweise) in Tanz umgewandelt.

Immer wieder wechselt die Musik von schnell und laut, zu langsam und ruhig. Die Stimmung im Saal passt sich sofort an, mal wirken die Zuschauer ausgelassen, es wird auf den Sitzen gewippt, der Fuß klopft im Takt mit, es wird sogar mitgesungen. Und dann werden die Zuschauer zu stillen Beobachtern, dann wieder von Beobachtern zu Beobachteten – beobachtet von den Tänzern selbst – und es entsteht ein seltener, berührender Moment der Nähe zur Bühne. Auch zum Nachdenken bietet das Stück genügend Momente, etwa wenn im Saal nichts bleibt, kein Licht, und John Lennon uns auffordert, uns eine andere Welt vorzustellen. Ein Gänsehaut-Moment – der aber vor allem durch die großartige Musikauswahl entsteht.

Auf der Bühne passiert manchmal nichts, teilweise ist diese leer, nur erfüllt von der Musik. In diesen Momenten, eher Pausen, mag selbst die Musik diesen Platz nicht immer ganz zu füllen. Dem Publikum ist das leider anzumerken und an mancher Stelle verfehlt die großartige Grundidee des Stückes ihre Wirkung, durch zu lange Pausen oder zu viel Licht im Saal.

Dann, mit dem nächsten Song kommt wieder Bewegung in das Stück, es wird getanzt, die Darsteller sind versunken in die Musik, dann wieder offen in ausdrucksstarken, wilden und ungewöhnlichen Bewegungen. Die Ernsthaftigkeit der Tänzer schafft es, dass die Bewegungen nicht lächerlich oder laienhaft wirken, doch kommt ein tanzbegeisterter Zuschauer bei dieser Produktion nicht ganz auf seine Kosten.

Was am Ende des langen Musikmarathons dem Zuschauer hoffentlich geblieben ist: Der Tanz bietet Platz für alle Menschen, egal ob dick, dünn, groß, klein, egal welcher Herkunft, egal ob kerngesund oder geistig oder körperlich eingeschränkt. Und der Spaß, den die Tänzer hatten, ist doch eigentlich das wichtigste am Tanz, oder?

 

#2 The sound of silence oder das Spiel mit dem Publikum von Laura

„The show must go on“ feiert seine Wiederaufnahme am tanzhaus nrw in der Düsseldorfer Adaption des Originals von Jérôme Bel und wird als Publikumsliebling gehandelt. Warum? Weil es ihm so nah ist, weil es mit ihm spielt. – Eine Reportage.

Es ist dunkel im Bühnensaal. Nein, es ist stockfinster. Auch auf der Bühne. Der Song „Tonight“ aus der West Side Story wird in voller Länge gespielt. Dann ein zweiter Titel: „Let the sun shine“, immer noch im Dunkeln, bis ganz langsam das Licht auf der Bühne angeht, auf der Bühne zum Stück „The show must go on“, welches an diesem Abend den Abschluss des diesjährigen „Take-Off: Festival Junger Tanz“ im tanzhaus nrw bildet. Viele Zuschauer sind gekommen, um sich die Düsseldorfer Version des von dem französischen Choreografen Jérôme Bel entworfenen Stückes anzusehen. Doch, wie sie sehen, sehen sie nichts. Erst beim dritten Song betreten die Darsteller die Bühne, erst nach einer viertel Stunde kommt die erste Bewegung ins Spiel. „Let’s Dance“ lautet die Aufforderung David Bowies, der die Akteure auf je ihre eigene Weise nachkommen. Dabei handelt es sich um zwanzig Laien, die das Stück unter der Leitung von Dina ed Dik, die bereits im Original mittanzte, innerhalb von vier Wochen einstudierten.

Zu dem darauffolgenden Song „I like to move it“ perfektionieren die Amateure ihre individuellen Bewegungen und halten diese das ganze Lied über durch. Spätestens jetzt ist das Publikum involviert und gepackt: es kann nicht anders, als zu lachen. Der Song dauert lange, also hat man genügend Zeit, jeden der Tänzer und deren Bewegungsablauf zu observieren, was das Ganze noch spannender macht, da man jeden Moment etwas neues Lustiges auf der Bühne entdeckt. Nach diesem Prinzip wird jedes Lied in dem Stück ausgespielt – eine Herausforderung für das Publikum, das von Bühnenperformances Abwechslung und Kurzweile und gewohnt ist. Doch das Gegenteil ist hier der Fall: die Zuschauer werden durch das Aushalten der Songs, durch die Wartezeiten dazwischen, auf sich selbst zurückgeworfen. Man hat also Zeit, sich seine Gedanken zu machen: über sich selbst, über die Aussage der Performance und über die Reaktionen, die die Musik – in diesem Stück ausschließlich Popmusik der letzten vierzig Jahre – in einem auslöst.

Ich nutze diese Momente, um eine gedankliche Verknüpfung zu der vorangegangenen sogenannten „Physical Introduction“ herzustellen. Diese Einheit ist eine freiwillige und – wie der Name schon sagt – physische Einführung in das Stück. Physisch in dem Sinne, als dass man am eigenen Leib erfährt, wie sich eine bestimmte Musik auf den Körper auswirkt oder wie man, auch ganz ohne musikalische Begleitung, durch diverse Körperhaltungen und Posen eine Geschichte erzählen kann.
Erst im Nachhinein wird mir die Essenz dessen und der Bogen zum Stück klar: Musik verbindet! In diesem Fall verbindet sie vor allem die Darsteller mit dem Publikum. Denn was auf der Bühne passiert ist nichts Besonderes. Es hat rein gar nichts Spektakuläres, nein, es ist schlichtweg genau das, was ein jedermann zu diesen tausendfach gehörten Popsongs tun würde: mitwippen, mitgrooven, mitsingen, den tieferen Sinn der Lieder begreifen und von ihm ergriffen werden oder auch völlig ausflippen – ein jeder auf seine ganz eigene Art und Weise. Das scheint auf den ersten Blick sehr belanglos und doch ist das Stück tatsächlich für ein anspruchsvolles Publikum konzipiert. Dies wird ganz deutlich, als der DJ (der vor der Bühne sitzend eine CD! nach der anderen einlegt, bis er am Ende der Show seinen Stapel von links nach rechts durchgearbeitet hat) John Lennons „Imagine“ spielt. Sowohl Bühne als auch Zuschauerraum sind wieder einmal komplett verdunkelt – aber man soll auch gar nichts sehen. Man soll hören. Und vorstellen. „Imagine there’s no heaven“, sinniert Lennon und wir, das Publikum, haben nun die Möglichkeit, uns genau dieses Szenario vorzustellen. Doch nicht jeder von uns nutzt die Chance. Türen werden geöffnet und wieder geschlossen, es wird gemurmelt und gehustet.

Den Höhepunkt dieser Aufforderung an das Publikum, auch einmal der Stille zu lauschen, und dessen Unvermögen, dies zu erkennen, findet das Stück im anschließenden „Sound of Silence“: der DJ lässt Paul Simons Lied laufen, doch dreht nur zur jeweiligen namensgebenden Passage hörbar auf. Doch was folgt, ist keinesfalls Stille. Das Publikum scheint noch unruhiger. Ich möchte so gerne hören, wie die Stille klingt, doch es bleibt mir an diesem Abend verwehrt. Nun ja – the show must go on! Und das tut sie: mit weiteren wörtlich genommenen Songtexten aus der Popmusik und dem Spiel mit dem Publikum…

 

#3 Schlicht wörtlich genommen von Marlene

„The Show must go on“ – so lautet der Titel eines Tanzstückes, das im Rahmen von „Take –off: 8. Festival Junger Tanz“ im Tanzhaus NRW aufgeführt wurde. Das Stück stammt ursprünglich von dem französischen Choreografen und Tänzer Jérôme Bel und war erstmals 2001 in New York zu sehen. „The Show must go on“ wurde mit dem renommierten „Bessie Award“ ausgezeichnet. Jérôme Bel ist ein Vertreter des „Konzepttanzes“. In „The Show must go on“ nimmt er die Aussagen der Musikstücke schlicht wörtlich und überträgt sie in den Tanz. Lichteffekte unterstützen die Botschaften. Scheinbar alles ganz einfach!

Im Tanzhaus NRW entstand eine neue Version des Stücks unter der Leitung der Düsseldorfer Tänzerin Dina ed Dik, die selbst bei der Originalversion mittanzte. In der Düsseldorfer Version wirken 20 Performer mit, die vor Ort gecastet, also keine professionellen Tänzer. Die Altersspanne der Performer ist weit gefasst und liegt zwischen neun und 91 Jahren. Sie tanzen zu Hits von David Bowie, Nick Cave, den Beatles oder von Queen. Auch Filmmusik findet statt, wie beispielsweise mit Songs aus den Filmen „Titanic“ („My heart will go on“ von Céline Dion) oder „Madagascar“ („I like to move it“). Echte Ohrwürmer.

Die Performer interpretieren die Musik auf verschiedene Art und Weise. Oftmals werden auch Songs abgespielt ohne, dass sich jemand auf der Bühne befindet. Der Song „The Sound of Silence“, in dem es um Stille geht, wird absichtlich unterbrochen und gestoppt. Verwirrung beim Zuschauer, dann ein Nachdenken! Letztendlich tritt das Publikum selbst als Akteur in den Vordergrund und wird Teil des Stückes, vielleicht ohne es zu bemerken. Durch Reaktionen wie leises Kichern, dem Weitersingen des Songs oder einem kurzen Zwischenruf wird eine vermeintlich unangenehme Stille im durchweg jungen Publikum überspielt. Diese Reaktionen waren bei den Schülern zu beobachten, die sich das Stück ansahen. Am liebsten schienen sie selbst mittanzen und mitsingen zu wollen.

Das Stück ist von ruhigen, emotionalen Choreografien geprägt sowie von schnellen, rhythmischen Tanzeinlagen. Da die Musik die Choreografie formt, entstehen bei den Zuschauern Geschichten, Bilder und Erinnerungen. Die Inszenierung lässt ihrem Publikum viel Spielraum für die eigene Interpretation. Immer wieder gibt es Szenen mit Überraschungseffekten: Beispielsweise als der Soundtechniker, der am Rand der Bühne sitzt, plötzlich im Zentrum des Geschehens steht und selber zu tanzen beginnt. Unerhört! Auffällig: Bei den Choreografien geht niemals die Individualität des einzelnen Tänzers verloren, da jeder seinen eigenen Tanzstil zum Ausdruck bringen darf und trotzdem Teil des Ganzen bleibt.

Dieses Stück ist jedem weiter zu empfehlen. Mit wenigen Mitteln entsteht ein einzigartiges Tanzstück, das jedes Publikum anspricht. Durch die verschiedenen Generationen innerhalb des Darsteller-Ensembles können sich die Zuschauer mit einer Person ihres Alters identifizieren und sich zudem in Personen einer anderen Generation hineinversetzen. Das Stück verdeutlicht schön, dass alle Menschen Bedürfnisse nach Vertrauen, Zuneigung und Geborgenheit haben. Ein großartiges Tanzstück, das den Zuschauer viel Freude bereitet.

Nach der Performance bekam das Schüler-Publikum die Möglichkeit, die Tänzer zu befragen. Viele von ihnen wollten das Alter der Darsteller wissen. Weitere Fragen beinhalteten, in wie weit die Performer schon Vorerfahrung im Tanzen gesammelt, wie sie sich zusammen gefunden und wie oft sie geprobt hätten. Es stellte sich heraus, dass die Performer per Auswahlverfahren ausgewählt wurden: nach Alter und mit möglichst unterschiedlichen Charakteren, die meisten ohne Vorerfahrung oder nur mit der Leidenschaft für das Tanzen in der Disco. Die enge Gruppenbindung, das war spürbar, ist im Stück wieder zu erkennen, weil die Choreografien auf Vertrauen und Nähe basieren!

 

#4 Partystimmung im Theatersaal von Sarah D.

Im Rahmen des 8. Take-off Festival Junger Tanz zeigt das tanzhaus nrw am 6. Februar eine Wiederaufnahme des Stücks „The show must go on“ in der Düsseldorfer Version. Unter der Leitung der Düsseldorfer Tänzerin Dina ed Dik, die in der Originalversion des französischen Choreografen Jérôme Bel tanzte, interpretiert ein 20-köpfiger nicht-professioneller Düsseldorfer Cast einige der größten Hits der Popgeschichte und begeistert das Publikum.

Es ist Freitag, 10 Uhr morgens – trotzdem: Im tanzhaus nrw herrscht Partystimmung.
Warum? Weil Jérôme Bel mit seiner Inszenierung zeigt, dass Theater und Tanz auch einfach mal unbeschwert und lustig sein können.

Das Prinzip des Stücks ist sofort klar. Während der Zuschauer zunächst, spürbar zunehmend ungeduldig, im Dunkeln sitzt, wird es genau in dem Moment Licht, als der direkt vor der Bühne platzierte DJ den Song „Let the Sunshine In“ aus dem Musical „Hair“ einlegt. John Lennon singt „Come together“ und die Darsteller betreten die Bühne. 20 Menschen unterschiedlichen Alters in bunter Alltagskleidung. Dick, dünn, Mann, Frau, voll bewegungsfähig oder bewegungsbeeinträchtigt.

Alles klar, die Darsteller nehmen meist eine Textzeile aus international bekannten Klassikern der Musikgeschichte wortwörtlich. „La vie en rose“ von Edith Piaf, rosa Licht, „Killing me softly“ von Roberta Flack bedeutet für die Darsteller anmutiges, langsames Sterben auf der Bühne. Das ist einleuchtend und klingt zunächst nicht gerade spannend. Schnell kommt da die Frage auf, ob es das wohl ist, 100 Minuten wortwörtlich genommene Musik? Das können lange Minuten werden, selbst wenn der Franzose Bel 2005 den renommierten New Yorker Bessie Award für innovative Leistungen in Tanz und Performance für dieses Kultstück erhalten hat.

Die anfängliche Angst vor Langeweile verfliegt jedoch recht schnell und weicht der Begeisterung. Die Musik ist laut und mitreißend und einmal mehr zeigt sich, dass manchmal in der Einfachheit das Faszinierende liegt. „The show must go on“ zeigt kein klassisches Tanztheater, welches durch das Können professioneller Tänzer imponiert. Was auf der Bühne zu sehen ist, sind Laien, die sich zur Musik bewegen, jeder auf seine eigene Weise und das kommt an. Als die Darsteller bei dem Song „I like to move it“ von Reel to Real wild zu tanzen beginnen, bricht der Saal in Gelächter aus. Das Bühnengeschehen ist ulkig, irgendwie nicht ernst zu nehmen und doch ist es spannend zu sehen, wie Menschen die keine beruflichen Tänzer sind über eine Stunde lang mit Tanz unterhalten können. Das Interessanteste sind dann auch diese Fragen, die sich angesichts von Bels Spiel mit den Definitionen von Tanz und Theater ergeben. Kann beispielsweise noch von Tanz die Rede sein, wenn ein Darsteller zur Musik wild mit der rechten Schulter zuckt, dieselbe Bewegung eintönig stets wiederholend? Und wo liegt eigentlich die Grenze zwischen Performer und Zuschauer?
Dass auch die Zuschauer bei „The show must go on“ als Darsteller agieren wird einem immer dann besonders bewusst, wenn die Publikumsränge komplett verdunkelt werden. Immer wieder wird in diesen Momenten des Unbeobachtet-Seins laut zu den Songs mitgesungen, mitgetanzt oder das Bühnengeschehen lautstark kommentiert. Das Treiben abseits der Bühne wird so zum Teil der Inszenierung, die Zuschauer werden zu Performern.

Eben dieses „Miteinbezogen-Sein“ sorgt für eine losgelöste Stimmung, die den Zuschauer mit einem Lächeln auf den Lippen aus dem Saal gehen lässt, obwohl das Stück wirklich tiefgründig ist. Bel verpackt philosophische Inhalte, grundlegende Fragen an die Kunst und den Menschen, gekonnt in eine fröhliche, bunte Verpackung. Wer also Lust hat, sich ein zum Nachdenken anregendes und dennoch nicht-pathetisches, vordergründig auf Belehrung bedachtes Stück anzusehen, der sollte sich „The show must go on“ nicht entgehen lassen.

 

#5 „The show must go on“ – Düsseldorfer Version/Jérôme Bel oder: „Killing me softly” über 80 Minuten von Stephanie C.

„Weg-von-hier – das ist mein Ziel.“ – wenn sich während des Besuchs einer Tanz(theater)vorstellung trotz lautstarker Beschallung des Saales mit „Yellow Submarine“ Worte Kafkas in den Kopf des Zuschauers verirren, so erscheint dies durchaus beachtlich; bedenklich sogar, erwartet man doch gemeinhin, dass der Zuschauer seine volle Aufmerksamkeit dem Bühnengeschehen widmet. Ist letzteres jedoch auf ein Minimum begrenzt bzw. über weite Strecken nicht existent und, sofern vorhanden, einfältig und vorhersehbar, so ist die Assoziation nicht nur nachvollziehbar, sondern verleiht der Gesamtsituation eine bemerkenswerte Komik, die diejenige, die die Düsseldorfer Version von Jérôme Bels „The show must go on“ zu kreieren versucht, deutlich übersteigt. Das Stück wurde im Rahmen von Take-off: 8. Festival Junger Tanz am tanzhaus nrw wieder aufgenommen und lädt dazu ein, einige der größten Popsongs der letzten 40 Jahre Revue passieren zu lassen. Es trifft in dramaturgischer Hinsicht sicherlich den schlichten Geschmack, lässt den tanzbegeisterten Zuschauer aber enttäuscht zurück und selbst die zusammenfassende Bezeichnung als „kurzweilig“ ginge wohl in doppelter Hinsicht fehl.

Dabei soll keineswegs verkannt werden, welches Konzept „The show must go on“ verfolgt: Das Verführerische, Illusorische und Spektakuläre der Bühne und insbesondere auch die Unnahbarkeit der Tänzer sollen aufgehoben und ins Gegenteil verkehrt werden. Dieses Ziel wird zweifelsohne erreicht, namentlich durch die ausschließliche Laienbesetzung in der Düsseldorfer Version – aber wozu? Einem Musikstück nach dem anderen in beschaulicher Dunkelheit zu lauschen, gelingt auch im Privaten; und eine dreiminütige Macarena-Tanzeinlage hofft man in der Regel nur noch im sommerlichen Cluburlaub genießen zu müssen. Der Zuschauer sitzt z.T. selbst im Scheinwerferlicht, wird minutenlang von den Darstellern begutachtet und immer wieder allein gelassen. Warum also hierfür eine Theaterkarte kaufen, wenn doch der Theaterbesuch als solcher letztlich ad absurdum geführt wird? – Gerade und auch nur deswegen; das Ausbleiben weitergehender Erkenntnisse und tiefgehender emotionaler Erschütterung sind als Folge des Versuchs oberflächlicher Belustigung zu akzeptieren und um des Engagements der Darsteller willen zu verwinden. Trost spendet der eine oder andere musikalische Klassiker, das sichere Wissen, dass der CDStapel zur Linken des DJs stetig kleiner wird, und dass das Theater und die Bühne als Ort der Virtuosität und Ambivalenz, des Aufruhrs und der Sensation, der Träume und der Zuflucht durch ein rebellisch anmutendes Experiment mit unerwartet wenig Tiefgang in keiner Weise angetastet wird.

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