#1 „Try It Out“ – eine Chance für junge Tänzer von Laura
Im Zuge der Bundesinitiative Chance Tanz fanden an drei Tagen des diesjährigen Takeoff-Festivals im Tanzhaus nrw verschiedene Performances unter dem Deckmantel „Try-It-Out“ statt. Die Aufführungen der Kinder und Jugendlichen verbindet eine Message: Kinder haben Rechte! Und zwar auf Freiheit, Gleichheit und Entfaltung.
Es ist voll und wuselig im Gang vor der kleinen Bühne des tanzhauses nrw. Eltern, Geschwister und Freunde sind an diesem Abend, dem zweiten in der Reihe der drei Try-It-Out-Tage gekommen, um die Kinder des Projektes „Kindervulkan – Kinder haben Recht(e)!“ tanzen zu sehen. Das Projekt des Anne Frank Hauses in Kooperation mit der Willi Fährmann Grundschule dient dazu, dass sich die Kinder mit Themen, die ihnen am Herzen liegen, darstellend auseinandersetzen. Unter der künstlerischen Leitung des Choreografen Misael López und der Literatur- und Theaterwissenschaftlerin Maja Mihajlovic erarbeiteten die Kinder eine Performance, in der sie aufzeigen, was es heißt, ganz Kind sein zu dürfen. Hier wird gehüpft, gelacht, Blödsinn gemacht oder frech die Zunge herausgestreckt. Aber auch Schattenseiten wie Ausgrenzung, Grüppchenbildung und Traurigkeit werden tänzerisch inszeniert. Zum Schluss formulieren die Kinder ihre Botschaft noch einmal ganz deutlich: „Wir Kinder haben Rechte“ heißt das Lied, in dem sie singen: „Ich möchte mich entfalten. /Mein Leben mitgestalten. /Meine Meinung sagen. /Und Dinge hinterfragen.“
Szenenwechsel: Ich sitze in der Küche des Tanzhauses, umgeben von aufgeregten Jugendlichen, die noch ganz aus der Puste von ihrem Auftritt sind. Die Pizza, die sie hastig vertilgen, haben sie sich redlich verdient – denn was sie noch ein paar Minuten zuvor, kurz nach dem Stück der Grundschüler, auf derselben Bühne zum Besten gegeben haben, sah zwar leichtfüßig, aber enorm schweißtreibend aus! Die Breakdance-Crew TNT unter der Leitung von Ardit und Albi Gjikaj besteht aus neun Jugendlichen im Alter von 12 bis 20 Jahren. Ich schnappe mir die einzige weibliche Tänzerin unter ihnen – Ilianna, 17 Jahre – und frage sie, was es für sie bedeutet, in der Crew zu sein. „Ich bekomme nicht nur etwas Tänzerisches gelehrt, sondern die wichtigen Dinge von heute: Respekt, Kommunikation und Organisation.“ Und auch der 14-jährige Kristian entgegnet mir stolz: „Man lernt nicht nur das Tanzen, sondern das Menschsein!“ Es sieht so aus, als ginge das Konzept der beiden Brüder Ardit und Albi auf: Sie wollen die Kids von der Straße wegholen, ihnen eine Chance auf Integration durch das Medium Tanz ermöglichen. Dabei geht es ihnen besonders um Teamwork, Akzeptanz und den Dialog. Dieser findet wöchentlich im Zitty Familienzentrum statt, hier werden die Jugendlichen umsonst trainiert. Mitten im Interview geht die Tür zur Küche auf: „Hey Jungs! Da sind ganz viele Mädchen vor der Tür, die wollen alle Autogramme!“ Meine Befragung wird also für eine ausgiebige Autogrammsession mit abschließendem Gruppenbild unterbrochen – ganz schön begehrt, diese Breakdance-Boys!
Auch am dritten Abend der Try-It-Out-Reihe geht es beat- und botschaftenreich auf der Bühne zu: B2B – das steht für „Back to the Basics“ und für die Jugendkompanie des tanzhauses nrw, die sich im September 2014 unter diesem Namen zusammengefunden hat. Der Titel beschreibt ihr Ziel, nämlich ihre Wurzeln zu finden – nicht nur, was den eigenen Tanzstyle betrifft, sondern auch die Vorstellungen vom Leben. Was man in dieser hektischen Arbeitswelt machen muss, doch eigentlich machen will, inszenieren die 16 jungen Tänzer auf professionelle Weise durch verschiedene urbane Tanzstile. Betont wird das Ganze durch eingespielte Videos über die Arbeit der Crew, sowohl während der Performance auf der Bühne als auch davor und danach im Foyer des Tanzhauses. Dabei fragen sich die Jugendlichen: „Was ist Tanz?“ Es bedeutet für sie vor allem eins: Freude!
#2 Chance Tanz „Let us read and let us dance… von Ann-Kathrin
…these two amusements will never do any harm to the world.“ (Voltaire)
Jugendliche rauchen. Sie kiffen, trinken, sind ungehobelt und allesamt kleine Vandalen. So sagt man. So meint man. So glaubt man – falsch.
Dass es anders geht, zeigt nicht nur das Take-Off: Junger Tanz-Festival, das im Tanzhaus NRW, dem Jungen Schauspielhaus, der Tonhalle und dem FFT stattfand. Im Besonderen zeigten das die Tänzer der Crew „Back to Basics“ des Tanzhaus NRW, die eine HipHop-Choreographie im Namen des Projektes „Chance Tanz“ zeigten. Und anschließend bei der Videovorführung im Foyer mit dem obrigen Voltaire-Zitat ihre Gefühle auf den Punkt zu bringen.
Chance Tanz – dem Tanz eine Chance geben. Und den Kindern und Jugendlichen. Die Initiative des Bundesverband Tanz in Schulen e.V. unterstützt Tanzprojekte für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendlichen, nicht nur in Düsseldorf, sondern bundesweit. Durch das Förderprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung.“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung stehen so jährlich rund 6 Millionen Euro zur Verfügung, um ausgewählten Projekte die Möglichkeit zu geben, dass sie realisiert werden können. Das Tanzhaus NRW kooperiert in diesem Rahmen beispielsweise seit September 2013 mit drei Düsseldorfer Schulen und zwei Jugendfreizeiteinrichtungen. In den Try It Outs zeigten Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Bernburgerstraße, der Katholischen Hauptschule St. Benedikt, der Willi Fährmann Grundschule, des Zitty Familienzentrums und des Jugendzentrums Eller, wie man seine Zeit produktiver verbringen kann.
Unter der Leitung professioneller Tänzer lernen die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen eigene Themen künstlerisch neu zu erfahren. Mittels Tanz hat sich die Gruppe mit Themen wie den eigenen Stärken und Schwächen, Gefühlen, Recht und Unrecht auseinandergesetzt. Was sie erarbeitet haben, zeigten sie dann am Festivaldonnerstag, -freitag und -samstag dem Publikum im Tanzhaus NRW.
Unter der Leitung der HipHop-Tänzer Kofie und Rayboom und dem Titel „The Originals“ präsentierte sich dann Samstag zum ersten Mal die neue Jugendtanzkompanie des Tanzhaus NRW und schloss die Try It Out-Reihe ab. Trotz der Kürze von 25 Minuten kam die Choreographie beim Publikum sehr gut an. Sie zeigt, dass Jugendliche noch so viel mehr können als für Klischees und Vorurteile herhalten. Man kann sie nicht kollektiv verurteilen. Und somit helfen alle Schülerinnen und Schüler, die an den Try It Outs teilnahmen, alle Mitglieder von „Back to Basics“ und die Initiative „Chance Tanz“ gemeinsam, nach und nach das Bild ihrer Generation zu verändern – ins Positive.